Im Rahmen der Ringvorlesung „Franz von Assisi – Inspiration und Provokation“ war Dr. Niklaus Kuster zu Gast an der Universität. Der Titel seiner Vorlesung „Der eine Gott und viele Religionen: Wozu Franz von Assisi und Sultan al-Kamil in der multireligiösen Welt heute ermutigen“, lockte zahlreiche Zuhörer an und bot tiefgehende Einblicke in die Bedeutung von interreligiösem Dialog und Toleranz.
Der Kapuziner, Franziskusforscher und Buchautor ist Dozent für Kirchen- und Spiritualitätsgeschichte an der Universität Luzern sowie an weiteren Hochschulen. In seinem Vortrag stellte Kuster dar, wie sich Religionen gegenseitig bereichern können – ein Konzept, das bereits Franz von Assisi erkannt und gelebt hat. Besonders faszinierend waren seine Ausführungen zu Franziskus’ Begegnung mit Sultan al-Kamil in Ägypten zur Zeit des fünften Kreuzzugs. Beeindruckt vom Ruf des Muezzin, der die Gläubigen zum Gebet ruft, adaptierte Franziskus diese Tradition und begründete damit das Angelusgebet mit dem Glockenläuten in der katholischen Kirche. Kuster verdeutlichte, wie die Gebetstraditionen der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam miteinander verwoben sind und wie sie sich gegenseitig inspirieren: Die islamische Gebetspraxis wurde angeregt von den Gebetszeiten des frühen Christentums und diese wiederum vom jüdischen Psalmengebet.
Franziskus war auch von den „99 Namen Gottes“ im Islam fasziniert. Franziskus erstellte vor dem Hintergrund dieser Bezeichnungen und denen aus der jüdisch-christlichen Tradition eine eigene Liste, die auch zahlreiche weibliche Bezeichnungen für Gott enthält; dies ruft die weibliche Seite Gottes stärker in Erinnerung und betont die Vielfalt göttlicher Aspekte.
Schließlich hob Kuster mit Blick auf die franziskanischen „10 Gebote für einen interreligiösen Dialog“ hervor, wie sehr Franziskus den Menschen unabhängig von seiner Religion im Blick hatte. Bevor man über Glaubenserfahrungen sprechen könne, sei es wichtig, sich mit dem Anderen vertraut zu machen und ihm Gutes zu tun. „Wir alle sind Suchende und Kinder des einen Gottes, die voneinander lernen können“, betonte Kuster. Diese Sichtweise mache alle Menschen zu Geschwistern, die auf einem gemeinsamen Weg sind. Pilger seien keine Rivalen, sondern Weggefährten, die sich gegenseitig stützten und stärkten.
Kuster beeindruckte das Publikum nicht nur durch seinen fundierten Vortrag, sondern auch durch seine authentische Lebensweise. Denn er lebt die Ideale des Franz von Assisi auf beachtliche Weise selbst und reiste pilgernd zu Fuß von Marktl bis Passau an, übernachtete im Freien und setzte seine Wanderung nach dem Vortrag fort. „Seine äußere Mobilität spiegelte seine innere Beweglichkeit wider“, bemerkte Prof. Dr. Hans Mendl, der die Ringvorlesung organisiert hat, in seinen einführenden Worten.